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Forst

Interview: „Wir müssen unsere Wälder umbauen“

Nach dem dritten Dürresommer in Folge ist es um Teile der Mönchengladbacher Wälder nicht gut bestellt. Wir wollten wissen, ob es anderen Flächen in NRW ähnlich geht und was unternommen werden kann, um unsere Wälder im Klimawandel zukunftsfähiger zu gestalten. Dazu haben wir die Experten des Landesbetriebes Wald und Holz Nordrhein-Westfalen befragt. Hier sind ihre Antworten.

Wie geht es den Wäldern in NRW?

Wald und Holz: Der Wald ist nach wie vor im Klimastress, und die Erfüllung all seiner Leistungen ist mindestens bedroht. Insgesamt sind seit Januar 2018 durch Sturm, Trockenheit und Käferbefall 30,7 Millionen Kubikmeter Fichten-Schadholz angefallen. In den kommenden Jahren muss mit weiterem Schadholzanfall in unbekannter Höhe gerechnet werden.

Stellen Sie gravierende regionale Unterschiede fest, und welche sind das?

Wald und Holz: Die Lage stellt sich in Abhängigkeit vom jeweiligen Standort und dem individuellen Waldzustand lokal sehr unterschiedlich dar. In betroffenen Bereichen kann der Wald seine Ökosystemleistungen jetzt und in der nahen Zukunft nicht mehr oder nur noch eingeschränkt erbringen.

Auffallend große Mengen Kalamitätsholz (Schadholz) fallen in Regionen mit ausgeprägten Fichtenreinbeständen an. 2018 waren vor allem Fichtenbestände, die älter als 60 Jahre sind in Höhenlagen unter 400 Meter über NN betroffen. Inzwischen sind auch Bestände in höheren Lagen und oder jüngeren Alters großflächig betroffen. Die größten Zunahmen an Borkenkäferbefall in Fichtenbeständen verzeichneten von Juli bis September 2020 die Regionalforstämter Märkisches, Kurkölnisches und Oberes Sauerland, Siegen-Wittgenstein, Bergisches Land und Ostwestfalen-Lippe.

Der Borkenkäfer frisst sich durch die Baumrinde und richtet erheblichen Schaden an.
Klein, aber oho: Der Borkenkäfer richtet enormen Schaden an.

Zusätzlich werden bedingt durch die Änderung der klimatischen Verhältnisse und der daraus resultierenden Häufung von Dürreperioden Trockenstressreaktionen bei nahezu allen Baumarten beobachtet.

Auch diese Situation stellt sich lokal sehr unterschiedlich dar. Im Jahr 2019 sind zum Beispiel insgesamt rund 500.000 Kubikmeter Buchen-Schadholz in teilweise flächig abgestorbenen 100-jährigen Buchenbeständen im Münsterland und Ostwestfalen angefallen. Bis Ende September 2020 sind durch absterbende Buchen NRW-weit insgesamt 870.000 Kubikmeter Buchen-Schadholz angefallen.

Was können Städte und Gemeinden kurz-, mittel- und langfristig tun, um den Baumbestand in den Wäldern zu erhalten?

Wald und Holz: Sie sollten im eigenen Wald kurzfristig konsequentes Integriertes Borkenkäfermanagement betreiben. Dafür ist ein gesicherter Absatz des anfallenden Holzes und zeitnaher Holzabtransport unerlässlich. Gegebenenfalls ist für geeignete zusätzliche Holzlagerungsmöglichkeiten wie Nass-, Trocken-, Folienlager zu sorgen.

Die Städte und Gemeinden sollten Waldumbau bestehender risikoreicher Bestände und Wiederbewaldung mit dem Ziel der Gestaltung standortangepasster, klimastabiler Mischbestände gezielt vorantreiben. Im Rahmen eines adaptiven Waldmanagements empfiehlt sich die Einbeziehung natürlicher Wiederbewaldungsprozesse. Unter Umständen sollte auf geeigneten Flächen ein „Vorwald-Konzept“ genutzt werden. (Begründung mit Pionierbaumarten zur Erleichterung der späteren Kultur mit anspruchsvolleren Baumarten, Anm. mags.)

Kurz-, mittel- und langfristig müssen CO2-Emmisionen oder andere klimaschädliche Emissionen vermieden oder besser verringert werden. Klimaschutz ist gleich Waldschutz! Gleichzeitig ist der Schutz des Waldbestandes aktiver Klimaschutz.

Welche Baumarten haben Ihrer Meinung nach Zukunft, welche sind die Verlierer?

Wald und Holz: Diese Frage ist immer nur in Verbindung mit dem jeweiligen Standort zu beantworten. Klimawandel führt zu Veränderungen des Standortes und damit zu neuen Anpassungsvorgängen der Baumarten. Welche Baumarten in 50 Jahren bei uns wachsen, kann nicht vorhergesagt werden.

Dieser Fichtenwald ist dem Borkenkäfer komplett zum Opfer gefallen.
Hier kann nichts mehr getan werden. Die vom Borkenkäfer zerfressenen Fichten müssen gefällt werden.

Aber insbesondere die Gemeine Fichte ist in NRW auf jeden Fall eine „Verlierer-Baumart“. Gewinner können beispielsweise die bisher seltenen heimischen Baumarten wie etwa die Hainbuche, Elsbeere oder Sommerlinde sein. Auch die Eiche, die Buche, aber auch weitere, eingeführte Baumarten wie beispielsweise die Tanne (Weiß- und Küstentanne) Esskastanie, Robinie oder Baumhasel kommen infrage.

Wie können auch Bürger in die Pflicht genommen werden, die Wälder zu schützen?

Wald und Holz: Durch ein Mitwirken bei der Umsetzung der Klimaschutzziele: Das könnte auch beinhalten, dass Bürgerinnen und Bürger künftig für die Ökosystemleistungen des Waldes – indirekt über die CO2-Bepreisung – einen finanziellen Beitrag zur Pflege und Entwicklung der Wälder leisten. 

Welchen Beitrag kann Umweltbildung leisten, das Bewusstsein der Menschen für den Wald zu schärfen?

Wald und Holz: Die (waldbezogene) Umweltbildung leistet einen wesentlichen und vor allem zukunftsorientierten Beitrag im Sinne der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. Das Schaffen und Ausbauen eines Bewusstseins für das Ökosystem Wald und seiner Funktionen innerhalb der Biosphäre ist hier ein elementares Ziel.

Was ist Ihre Prognose für die Wälder in NRW in 20 Jahren?

Wald und Holz: Auf den jüngst entstandenen und in naher Zukunft voraussichtlich noch entstehenden Freiflächen werden entsprechend junge Waldbestände wachsen, deren Pflege und Entwicklung zu standortgerechten, klimastabilen Mischbeständen noch Investitionen erfordern. Vorhandene Waldbestände sind durch ein adaptives Waldmanagement zu klimastabilen Wäldern umzubauen. (Hierzu existiert auch die Broschüre „Das Waldbaukonzept NRW, die als PDF unter www.umwelt.nrw.de heruntergeladen werden kann, Anm. mags.)

Wie sieht es derzeit in NRW mit der Nutzfunktion unserer Wälder aus?

Wald und Holz: Es entstehen aktuell größere Mengen an zwangsweise genutztem Holz, was akut und mittelfristig zu großen wirtschaftlichen Verlusten führt.

Sollte wir aufgrund der Schäden durch Extremwetterlagen in öffentlichen Wäldern gänzlich auf eine Waldpflege oder Holznutzung verzichten?

Wald und Holz: Grundsätzlich ist ein nachhaltig bewirtschafteter Wald der beste und effektivste Beitrag zum Klimaschutz und nicht nur deshalb richtig und wichtig. Gleichzeitig bleibt der Verzicht auf die Nutzung des Waldes auf rund 16 Prozent der landeseigenen Waldflächen in NRW ein sehr wichtiger Bestandteil der Biodiversitätsstrategie Nordrhein-Westfalens.

www.wald-und-holz.nrw.de

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